Farmworkshop: Erhöhung der Nutzungsdauer schweizerischer Milchkühe

Die zwei online-Workshops zum Thema Erhöhung der Nutzungsdauer schweizerischer Milchkühe wurden am 5. und am 11. März im Rahmen des gleichgenannten Projektes von AGRIDEA und FIBL angeboten. Das Zielpublikum waren in erster Linie Landwirtinnen und Landwirte. Es sollte nicht nur zugehört, sondern auch aktiv mitgedacht werden. Die Referierenden kamen zu einem grossen Teil vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), aber auch von AGRIDEA und der Hochschule für Agrar-, Forst-, und Lebensmittelwissenschaften (HAFL). «Erhöhung der Nutzungsdauer schweizerischer Milchkühe» ist  ein vom BLW und weiteren Akteuren finanziertes und getragenes Forschungsprojekt von FIBL, AGRIDEA und HAFL u.a. auch in Zusammenarbeit mit RGS Mehr Informationen dazu sind unter folgenden Links zu finden:

Im ersten Teil des Workshops hat Rennie Eppenstein (FiBL) mehrere Fragen als Denkanstösse für die Teilnehmer/Innen in den Raum gestellt. Die erste lautete: Was versteht man unter der Nutzungsdauer? Das ist noch relativ einfach zu beantworten: Die Zeit von der ersten Abkalbung bis zum letzten Tag als Milchkuh. Bei der Frage nach der Berechnung wird es bereits schwieriger. Soll die Anzahl Laktationen zählen oder doch besser das Alter nach Jahren/Tagen? Was ist mit verlängerten Laktationen? Wie sieht es mit Kühen aus, die ein «zweites Leben» als Mutterkuh haben – zählt man diese Abkalbungen auch? Was schätzt man als Teilnehmer/In: Wie lange ist die Nutzungsdauer in der Schweiz? Was schätzen Sie?

Die Präsentation zur Ökonomie einer längeren Nutzungsdauer beginnt mit einer Übersicht durch Markus Rombach (AGRIDEA). Auf der positiven Seite finden wir: Beitrag Direktzahlungen, sinkende Remontierungskosten, steigender Verkauf von Kälbern, weniger Arbeitsaufwand (z.B. durch die Gewöhnung von Tieren an ein Melksystem), weniger Futterkosten (ausgewachsene Kühe verwerten das Futter besser) und weniger allgemeine Betriebskosten (ältere Tiere leisten mehr, sodass insgesamt für dieselbe Leistung weniger Stallplätze benötigt werden). Auf der negativen Seite sind in Klammern gesetzt der verzögerte Zuchtfortschritt und die tendenziell höheren Behandlungskosten älterer Tiere zu finden.

Die nächste Referentin, Catherine Pfeifer vom FiBL, hat einen Master in Ökonomie und das merkt man. Sie ist mitverantwortlich für ein gross angelegtes Modell mit virtuellen Milchviehbetrieben. Das Modell basiert auf Daten aus den Herdebüchern. Dabei wurden grosse Datensätze mit einer Zeitspanne von 5 Jahren verwendet, sodass sich jeweils in einer Gruppe mindestens 1000 Kühe befinden. Mit diesem Modell können verschiedene Szenarien in unterschiedlichen Regionen und mit den Rassen Holstein, Brown Swiss, Swiss Fleckvieh und Simmentaler (Vertreter der Zweinutzungsrasse) durchgespielt werden. Für die Analysen wurden die Betriebe jeweils in lange (obere 20%), mittlere und kurze (untere 20%) Nutzungsdauer unterteilt. Auf ökonomischer Ebene bestätigt das Modell Markus Rombachs Aussagen und zeigt, dass aus einer längeren Nutzungsdauer mehr Kälber entstehen, die zum Verkauf stehen. Ausserdem wird mit einer älteren abgehenden Kuh weniger Erlös erwirtschaftet, dafür sinken die Kosten für den Ersatz abgehender Kühe. Die lange Nutzungsdauer schnitt ökonomisch immer besser ab als die kurze. Bei der durchschnittlichen Nutzungsdauer war das ökonomische Ergebnis davon abhängig, wie sich die Milchleistung in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer entwickelt hat. Je nach Rasse und Region war diese bei einer durchschnittlichen oder sogar kurzen Nutzungsdauer höher.

Dasselbe Modell wurde im zweiten Teil des Workshops von Matthias Meier (HAFL) benutzt, um die Auswirkungen einer längeren Nutzungsdauer auf die Ökologie zu untersuchen. Eine längere Nutzungsdauer reduziert die Treibhausgas-Emissionen pro Liter Milch aus folgenden Gründen: Die Emissionen der Aufzucht werden auf eine längere Zeit verteilt und es gibt weniger Tiere im System (Kälber verlassen den Betrieb). Die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen ist am grössten, wenn eine lange Nutzungsdauer mit einer hohen Milchleistung zusammenfällt.

Durch eine längere Nutzungsdauer braucht es also weniger Tiere für dieselbe Leistung. Das bedeutet, dass mehr Land zur Verfügung steht. Was soll man mit diesem Land tun? Ideen waren Weiderinder, Kälber zuhause mästen, Buntbrachen oder auch mehr Milchkühe.

Eine Umfrage mit 311 Teilnehmenden (davon 70% Landwirt/Innen) hat ergeben, dass die Nutzungsdauer als wichtig eingeschätzt wird und man im Durchschnitt 6.5 Laktationen (3-15) anstreben würde.

Der aktuelle Stand sieht jedoch anders aus. Um diesen besser definieren zu können, wurde eine deskriptive Analyse der Herdebuchdaten von 1999-2019 von 2.6 Mio. Kühen erstellt. Ausserdem wurden die Abgangsgründe von 2008-2019 miteinbezogen. Anna Bieber (FiBL) hat die Resultate präsentiert. Über die Jahre ist die Milchleistung bei allen Rassen gestiegen, besonders stark aber bei Holsteinern. Eine Steigerung der Milchleistung findet bis etwa zur 5. Laktation statt um anschliessend noch mehrere Laktationen auf nahezu unverändertem Niveau zu stagnieren. Die Nutzungsdauer ist im Zeitraum 1999-2019 bei den Original Braunen gesunken, bei den Holstein Kühen leicht gestiegen, bei Braunvieh und Simmentaler relativ konstant und bei Swiss Fleckvieh schwankender. Sie befindet sich jedoch bei allen Rassen im Schnitt unter dem Optimum von 5 Laktationen; den höchsten Schnitt haben Swiss Fleckvieh Kühe mit 3.8 Laktationen zu verzeichnen. Die Abgangsraten in der 1. und 2. Laktation sind durchwegs recht hoch: Bei Holstein 52%, bei Swiss Fleckvieh und Simmentaler 45%, bei Braunvieh 40% und bei den Original Braunen 35%. Bei reinen Milchrassen sind diese Abgangsraten als besonders schwere Verluste zu beurteilen.

Für eine lange Nutzungsdauer und gute Wirtschaftlichkeit sollten gesunde und fruchtbare Erstlaktierende priorisiert werden. Der Grundstein dafür wird in der Selektion auf mütterlicher Seite durch konsequente Remontierung aus funktionalen Kühen gelegt. So können unwirtschaftliche Abgänge in der ersten und zweiten Laktation vermieden werden. Der betriebliche Erfolg hängt von einer ganzheitlichen und individuellen Betrachtung auf Herdenebene ab.

Zusammenfassend ist eine verlängerte Nutzungsdauer sowohl objektiv ökologisch und ökonomisch sinnvoll, als auch subjektiv erwünscht, aber der aktuelle Stand sieht anders aus. Wie kommen wir dahin, wo wir sein wollen? Was machen Betriebe anders, die bereits eine lange Nutzungsdauer vorweisen? Antworten dazu wurden jeweils im zweiten Teil des Workshops anhand von Postern geliefert und gemeinsam mit den Teilnehmenden gesucht. Dabei wurden folgende Themen repräsentiert:

Fütterung etwas geringer, doch grösstenteils bleiben die Gründe dafür unklar. Diskussionsfrage: Wie erreicht man eine gute Fruchtbarkeit?

Diskussionfrage: Was trägt zu einer guten Eutergesundheit bei?

Diskussionsfrage: Wie erreiche ich einen guten Kuhkomfort in meinem Stall?

Diskussionsfrage: Wie erhöhen wir den Anteil solcher Kühe?

Diskussionsfrage: Wie entscheiden wir, wann und ob eine Kuh aus dem Betrieb abgeht?

Die Diskussion rund um die lange Nutzungsdauer ist aus unserer Sicht deshalb so interessant, weil sie zu einer globalen Diskussion rund um gutes Management führt. Bei Interesse am Projekt melden Sie sich bei Rennie Eppenstein oder Michael Walkenhorst (beide FiBL,siehe auch Link anfangs des Artikels).

 

Um mehr zu lesen müssen Sie sich anmelden

© 2024 Rindergesundheit Schweiz RGS Datenschutzerklärung
website by WeServe